Die Kritik an der Österreichischen Gesundheitskasse wächst: Immer mehr Stimmen fordern einen grundlegenden Neustart, um Patienteninteressen wieder in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sorgt aktuell wieder für politische Diskussionen und öffentliche Kritik. Seit der großen Krankenkassenreform mehren sich die Stimmen, die einen gravierenden Konstruktionsfehler attestieren. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle aus Tirol spricht offen von einer „Reform der Reform“ – und erhält dafür breite Unterstützung. Doch was genau läuft bei der ÖGK schief und warum drängen Experten auf einen Kurswechsel? Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Es geht nicht um politische Eitelkeiten, sondern um das Wohl von Millionen Versicherten.
Patientenmilliarde: Nur ein leeres Versprechen?
Mit großem medialem Getöse wurde 2019 die sogenannte „Patientenmilliarde“ angekündigt. Die damalige Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ versprach Einsparungen durch Strukturreformen, die direkt den Patienten zugutekommen sollten. Heute, sechs Jahre später, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Statt einer tatsächlichen Verbesserung der Gesundheitsversorgung kämpfen Versicherte mit längeren Wartezeiten, weniger Kassenstellen und einem System, das zunehmend in Schieflage gerät.
Erwin Zangerl, Präsident der AK Oberösterreich, bezeichnet die „Patientenmilliarde“ inzwischen als reinen Marketing-Gag. Statt finanzieller Entlastung drohen nun neue Milliarden-Defizite: Die Gebarungsvorschau geht sogar von einem Bilanzdefizit von 900 Millionen Euro im Jahr 2025 und von einem Minus von 1 Milliarde Euro im Jahr 2028 aus
, so Präsident Stangl. Die hochgepriesene Milliarde erweist sich für die Versicherten als Luftnummer.
Zentralisierung statt Bürgernähe: Ein Fehler mit Folgen
Die Reform zielte nicht nur auf Einsparungen, sondern auch auf eine radikale Zentralisierung der Verwaltung. Mit der Zusammenlegung von 21 Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse sollte alles effizienter werden. Doch das Gegenteil trat ein: Die Nähe zu Patienten vor Ort ging verloren, Entscheidungskompetenzen wurden in Wien konzentriert, regionale Anliegen blieben auf der Strecke.
So scheiterte etwa 2023 ein Antrag auf 800 zusätzliche Kassenstellen an einem politischen Patt im Verwaltungsrat: Die Arbeitnehmerseite wollte Verbesserungen, die Arbeitgeberseite blockierte – mit dem Ergebnis, dass das Thema nicht einmal diskutiert wurde (Quelle: AK Oberösterreich).
Mehr zahlen, weniger bekommen: Versicherten droht Doppelbelastung
Während sich die Versorgung verschlechtert, steigen die finanziellen Belastungen für Versicherte. Besonders auffällig ist der Griff in die Geldbörse der Pensionisten, die seit Juni durch höhere Krankenversicherungsbeiträge eine neue Patientenmilliarde „finanzieren“ sollen – ironischerweise dieselbe Milliarde, die eigentlich Einsparungen bringen sollte. Bis 2027 sollen so über eine Milliarde Euro zusätzlich eingetrieben werden.
Dass diese Erhöhung der Versicherungsbeiträge unnötig wäre, würden die Verantwortlichen der ÖGK konsequent Außenstände eintreiben, hat AK Präsident Erwin Zangerl bereits im April festgestellt. Damals beliefen sich die Außenstände der ÖGK auf 908 Millionen Euro.
Die ÖGK hat enorme Außenstände von fast einer Milliarde Euro, deren konsequentes Eintreiben längst überfällig wäre. Stattdessen werden laufende Beitragszahler stärker belastet, ohne dass sich die Leistungen verbessern.
Die Forderung: Kompetenzen zurück in die Bundesländer
Der Ruf nach einer Neuausrichtung wird immer lauter. Politiker wie Tirols Landeshauptmann Mattle und Arbeitnehmervertreter wie Erwin Zangerl sind sich einig: Es braucht eine Reform der Reform. Dabei steht weniger eine Rückkehr zum alten System im Fokus, sondern der Wunsch nach mehr regionaler Autonomie, einer stärkeren Selbstverwaltung der Versicherten und vor allem: mehr Fokus auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten.
Fazit: Eine mutige Kurskorrektur ist überfällig
Die Kritik an der Österreichischen Gesundheitskasse ist keine politische Spielerei, sondern Ausdruck realer Missstände im österreichischen Gesundheitssystem. Die Patientenmilliarde war ein Etikettenschwindel, die Zentralisierung hat das System nicht gestärkt, sondern geschwächt. Für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung braucht es jetzt eine mutige Reform, die Fehler anerkennt und die Versicherten wieder ins Zentrum stellt.
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