PVÖ-Präsidentin Birgit Gerstorfer kritisiert die Debatte um Teilzeit und fordert konkrete Maßnahmen, um Vollzeitarbeit tatsächlich möglich zu machen.
Die Debatte um Teilzeitarbeit kocht hoch: Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer stellte Teilzeitkräfte zuletzt als Kostenfaktor für das Budget dar. Unterstützung bekam er von Zahlen des Think-Tanks „Agenda Austria“. Doch die Kritik an Teilzeitkräften stößt auf Widerstand – allen voran beim Pensionistenverband Österreichs (PVÖ).
Präsidentin Birgit Gerstorfer kontert nun mit offiziellen Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) und stellt klar: Teilzeit ist in den meisten Fällen keine freiwillige Entscheidung, sondern schlicht eine Notwendigkeit.
Fakten statt Schlagzeilen
Laut AMS suchten im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 55.774 arbeitslose Personen eine Teilzeitstelle. Davon haben rund 80 Prozent einen nachweisbaren Grund, warum Vollzeit nicht möglich ist. Dazu gehören Betreuungspflichten, gesundheitliche Einschränkungen oder die Rückkehr in den Beruf nach einer längeren Pause.
Gerstorfer bringt es auf den Punkt:
„Wenn eine alleinerziehende Verkäuferin in einem kleinen Tiroler Ort, in dem der Kindergarten mittags schließt und keine Ferienbetreuung für Kinder angeboten wird, privat eine Betreuungskraft einstellen müsste, damit für sie Vollzeit möglich wird, dann ist klar, dass sich das ‚nicht rechnen‘ kann!“
Unbezahlte Arbeit: Das Rückgrat der Gesellschaft
Viele Teilzeitkräfte übernehmen Aufgaben, die für das Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbar sind – Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen.
„80 Prozent der Pflegebezieher:innen werden zu Hause betreut. Diese pflegenden Angehörigen leisten nicht nur einen unschätzbaren Dienst am Menschen, sie entlasten auch unser Pflegesystem und ersparen dem Staat Jahr für Jahr hohe Kosten für stationäre Pflege. Und wer einen Angehörigen pflegt, der kann meist nur noch in Teilzeit arbeiten. Diese Menschen haben unsere volle Unterstützung verdient und größten Respekt – keine öffentliche Herabwürdigung“, so Gerstorfer.
Lösungen statt Schuldzuweisungen
Anstatt Teilzeitkräfte als Problem darzustellen, fordert Gerstorfer von Politik und Wirtschaft konkrete Maßnahmen, damit mehr Vollzeit tatsächlich möglich wird. Dazu gehören:
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Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr
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Mehr Tagesbetreuungszentren für pflegebedürftige Menschen
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Flexiblere Arbeitszeiten und erweiterte Home-Office-Möglichkeiten
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Finanzielle Anreize und gezielte Unterstützung beim Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit
„Jede zusätzliche Beschäftigung stärkt unser Sozial- und Pensionssystem. Aber diese kann nur durch unterstützende Maßnahmen erreicht werden, nicht durch Hetze und die Androhung von Strafen“, betont Gerstorfer.
Vollzeit braucht Rahmenbedingungen
Die aktuelle Diskussion zeigt: Es geht nicht darum, Menschen in Teilzeit zu kritisieren, sondern darum, die richtigen Strukturen zu schaffen, damit Vollzeitarbeit auch realistisch machbar ist.
Oder wie es Gerstorfer zusammenfasst:
„Wer mehr Vollzeit will, muss sie ermöglichen!“