Die Zahlen schockieren: Der Anteil der materiell und sozial stark Benachteiligten in der österreichischen Bevölkerung ist auf 3,7 Prozent gestiegen.
Die Zahl der Menschen in Österreich, die in absoluter Armut leben, ist im Jahr 2023 stark angestiegen. 336.000 Menschen konnten sich jene Ausgaben des täglichen Lebens nicht leisten, die laut EU-Definition als Mindestlebensstandard gelten. Der Anteil der Menschen, die an der Armutsgrenze ums Überleben kämpfen, ist damit auf 3,7 Prozent der Bevölkerung gestiegen, wie aus einer aktuellen Erhebung der Statistik Austria hervorgeht. Im Jahr 2022 waren es noch 2,3 Prozent.
Kinder und Jugendliche waren im Vorjahr deutlich häufiger von absoluter Armut betroffen als ältere Menschen. „Bei den unter 18-Jährigen lag der Anteil der erheblich materiell und sozial Benachteiligten
bei 5,3 % – bei älteren Personen ab 65 Jahren hingegen bei 1,9 %“, so Statistik Austria Generaldirektor Tobias Thomas.
3,7 Prozent von absolutem Armutsausmaß betroffen
Als erheblich materiell und sozial benachteiligt gilt, wer angibt, sich mindestens sieben von der EU definierte Merkmale und Aktivitäten des täglichen Lebens nicht leisten zu können. Diese reichen von unerwarteten Ausgaben in Höhe von 1.370 Euro über eine angemessen warme Wohnung bis hin zu einem Urlaub pro Jahr. Im Jahr 2023 traf dies in Österreich auf 336.000 Personen (3,7 Prozent) zu.
Von absoluten Armutslagen waren im Vorjahr 88.000 Kinder und Jugendliche betroffen. Das sind doppelt so viele wie im Jahr 2022. Das höchste Risiko erheblicher materieller und sozialer Benachteiligung war nach der Lebensform betrachtet bei Personen in Alleinerzieherhaushalten festzustellen. Diese waren nach den Ergebnissen der Statistik Austria mit einer Quote von 15,3 Prozent mehr als viermal so häufig einer Deprivationssituation ausgesetzt wie die Gesamtbevölkerung (3,7 Prozent). Auch Familien mit mindestens zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern waren mit 8,5 Prozent überproportional betroffen.
Armutsgefährdungsschwelle für Ein-Personen-Haushalte
Ein weiteres Maß für den Lebensstandard ist das Haushaltseinkommen. Laut EU-SILC 2023 verfügten private Haushalte in Österreich im Durchschnitt über ein Haushaltseinkommen von 45.180 Euro pro Jahr. Im Vorjahr lag das Einkommen von 338.000 Personen in Österreich unter 18.866 Euro pro Jahr bzw. 1.572 Euro pro Monat. Damit galten 14,9 Prozent der österreichischen Bevölkerung gemäß EU-Definition als armutsgefährdet.
Von den 336.000 Personen, die sich den europäischen Lebensstandard nicht leisten konnten, hatten 58 Prozent ein relativ niedriges Haushaltseinkommen. Aber auch Personen, deren Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle lag, wiesen eine benachteiligte Lebensführung auf. Dies betraf 142.000 Personen. Damit zeigt sich, dass absolute Armut und niedriges Haushaltseinkommen häufig zusammenhängen, aber auch Personen mit mittlerem Einkommen von einer benachteiligten Lebensführung betroffen sind.
Höhere Armutsgefährdung durch Langzeitarbeitslosigkeit
Auch die unzureichende Nutzung des Erwerbspotenzials eines Haushalts stellt einen Risikofaktor für soziale Benachteiligung dar. Im vergangenen Jahr lebten 370.000 Personen unter 65 Jahren in Haushalten ohne oder mit sehr geringer Erwerbsintensität (weniger als 20 Prozent des gesamten jährlichen Erwerbspotenzials). Dieser Wert hat sich gegenüber 2022 (363.000 Personen) kaum verändert.
Das Risiko eines relativ niedrigen Haushaltseinkommens und absoluter Armutslagen ist bei ganzjähriger Arbeitslosigkeit deutlich erhöht. Von den Personen, die zwölf Monate und länger arbeitslos waren, war mehr als die Hälfte (56 Prozent) armutsgefährdet. In vielen Fällen können die finanziellen Einbußen durch Arbeitslosigkeit nicht durch das Einkommen anderer Personen im Haushalt ausgeglichen werden.
2023 waren 17,7 Prozent armuts- oder ausgrenzungsgefährdet
Laut der jüngsten Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) waren im Vorjahr in Österreich 1.592.000 Menschen (17,7 Prozent) von Armut oder Ausgrenzung bedroht. Davon waren 376.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen. Da die Unterschiede zum Vorjahr zu gering sind, können sie nicht als statistisch gesicherte Veränderung gewertet werden.
Aufgrund seiner Definition und der Kombination von relativen und absoluten Armutsmaßen gibt dieser Indikator keinen Aufschluss darüber, wie viele Haushalte mit ihrem verfügbaren Einkommen tatsächlich nicht auskommen. Darüber hinaus kann ein Anstieg des Medianeinkommens dazu führen, dass mehr Haushalte als armutsgefährdet oder ausgrenzungsgefährdet eingestuft werden, obwohl sich ihr verfügbares Einkommen nicht verändert hat.