Ein Preismärchen wackelt. Der österreichische Handel macht hohe Lohnkosten für teure Lebensmittel verantwortlich – AK-Präsident Zangerl entlarvt das als Ausrede und fordert Preiskontrollen.
Lebensmittelpreise belasten Haushaltsbudgets wie nie zuvor. Während viele Familien sparen müssen, kassieren die großen Handelsketten kräftig ab – und liefern gleich die Begründung mit: „In Österreich sind die Löhne zu hoch“. Doch dieses Argument sei nicht haltbar, sagt AK Tirol-Präsident Erwin Zangerl. In einer aktuellen Presseaussendung der Arbeiterkammer Tirol zerlegt er die Argumentation des Handels – mit Zahlen, die überzeugen.
Der Faktencheck: Wer zahlt wirklich mehr?
Die Arbeiterkammer Tirol hat in einer Analyse die Lohnkosten im Einzelhandel zwischen Österreich und Bayern verglichen – und das Ergebnis ist eindeutig.
Kriterium | Österreich | Bayern |
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Bruttolohn Verkäufer:in (7. Jahr) | 2.132 € / Monat | 2.836 € / Monat |
Jahresverdienst (inkl. Sonderzahlungen) | 29.848 € | 37.222,50 € |
Wochenarbeitszeit | 38,5 Stunden | 37,5 Stunden |
Urlaubstage | Ø 30,3 | Ø 28,8 |
Lohnnebenkosten (Arbeitgeber) | 8.834 € / Jahr | 9.231 € / Jahr |
Gesamtkosten für Arbeitgeber | 38.681 € / Jahr | 46.453 € / Jahr |
Kernaussage:
Die Lohnkosten in Bayern sind um mehr als 20 % höher als in Österreich – und trotzdem sind Lebensmittel dort signifikant günstiger.
Warum sind die Preise in Österreich trotzdem höher?
Zangerl nennt mehrere strukturelle Ursachen für die überdurchschnittlich hohen Lebensmittelpreise in Österreich – und zeigt auf, warum die „hohen Löhne“ ein vorgeschobenes Argument sind.
Hauptgründe laut AK Tirol:
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Fehlender Wettbewerb:
In Österreich teilen sich nur vier große Handelsgruppen (Spar, Rewe, Hofer, Lidl) rund 90 % des Marktes. Weniger Konkurrenz bedeutet weniger Preisdruck – zulasten der Konsumenten. -
Intransparente Preisbildung:
Eine Studie des Wifo im Auftrag von AK und ÖGB zeigt: Die Kosten entlang der Wertschöpfungskette – etwa von Verarbeitern und Händlern – sind weitgehend unbekannt. Wer wie viel verdient, bleibt oft im Dunkeln. -
Österreich-Aufschlag:
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestätigt: Internationale Konzerne verlangen vom österreichischen Handel höhere Einkaufspreise als etwa vom deutschen – für die gleichen Produkte. -
Filialdichte kein Kostentreiber:
Beispiel Tirol: Dort ist Spar mit besonders vielen Filialen präsent, Billa deutlich weniger. Preisunterschiede ergeben sich daraus aber kaum. Die Argumentation mit „mehr Filialen = höhere Preise“ hält also nicht stand.
Wer verdient mit – und wer zahlt drauf?
Zangerl kritisiert scharf, dass die wahren Kostentreiber nicht benannt werden – weil Daten fehlen. Während Landwirte ihre Preise offenlegen müssen, ist bei Handelskonzernen und Verarbeitern kaum etwas bekannt. Die Folge: Die wahren Margen bleiben verborgen.
Blick nach Frankreich: So geht Preiskontrolle
Zangerl fordert, was in Frankreich längst Praxis ist:
Eine staatliche Aufsichtsbehörde, die Preise entlang der gesamten Kette überwacht. In Frankreich müssen alle Beteiligten ihre Preisbestandteile offenlegen. Bei auffälligen Preisentwicklungen greift der Staat ein.
Das fordert Zangerl nun auch für Österreich:
Forderungen der AK Tirol im Überblick:
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Einführung einer Anti-Teuerungskommission
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Aufbau einer Preisdatenbank, in der alle Akteure ihre Kosten und Margen offenlegen
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Transparenzpflicht für Verarbeiter und Handel
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Mehr Wettbewerbsdruck durch politische Maßnahmen
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Stärkere Verhandlungen mit internationalen Konzernen
Wer leidet am meisten?
Für Konsumenten in Österreich – besonders für Familien, junge Menschen, Geringverdiener und Pensionisten – bedeutet die aktuelle Preispolitik eine enorme Belastung. Gerade in ländlichen Regionen, wo das Preisniveau zusätzlich durch eingeschränkte Mobilität steigt, spitzt sich die Lage zu.
Fazit: Preiskontrolle ist kein Tabu – sie ist überfällig
Die Behauptung, dass Lohnkosten in Österreich die Hauptursache für hohe Lebensmittelpreise sind, hält einem Faktencheck nicht stand. Im Gegenteil: Händler in Bayern zahlen mehr – und bieten dennoch günstigere Preise.
Der wahre Grund liegt in Marktkonzentration, Intransparenz und einem akzeptierten Österreich-Aufschlag. Die Lösung? Klare Regeln, staatliche Kontrolle und Transparenz. Denn: Nur wer weiß, wer wie viel verdient, kann auch fair entscheiden, wem er sein Geld gibt.
Die AK Tirol hat ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist die Politik am Zug.