Pension mit 67 oder gar 70? Die Forderung nach einem höheren Pensionsantrittsalter sorgt für Unmut. Neue Daten zeigen: Das System ist stabil – die Probleme liegen ganz woanders.
In regelmäßigen Abständen flammt sie wieder auf – die Debatte um ein höheres Pensionsantrittsalter. Vertreter aus Industrie und Wirtschaftskammer fordern erneut eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters – mit Verweis auf die alternde Gesellschaft und angeblich drohende Finanzierungsprobleme. Doch Arbeitnehmervertretungen, Pensionsverbände und Gewerkschaften widersprechen klar: Die Fakten geben keinen Anlass für Panik – wohl aber für einen genaueren Blick auf den Arbeitsmarkt und die sozialen Realitäten.
Pensionssystem auf stabilem Kurs – Das zeigen die Zahlen
Birgit Gerstorfer, Präsidentin des Pensionistenverbandes Österreich, verweist auf den aktuellen Jahresbericht der Pensionsversicherung 2024 – und dieser gibt Entwarnung:
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Das Pensionsantrittsalter ist gestiegen:
– Frauen: von 60,0 auf 60,2 Jahre
– Männer: von 62,1 auf 62,3 Jahre -
Die Zahl der Pensions-Neuzugänge sank von 126.253 auf 108.760
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Die Beiträge der Pflichtversicherten stiegen um 8 % auf 38,7 Mrd. Euro
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Die Pensionslücke zwischen Frauen und Männern schrumpft leicht
Arbeitslos mit 55 – und dann?
Ein oft übersehener Aspekt: Wer im Alter von 55 oder älter seinen Arbeitsplatz verliert, findet häufig keine neue Anstellung mehr – obwohl oft noch zehn Jahre bis zur Pension fehlen.
Daten aus einer Studie von AK und ÖGB zeigen:
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33 % der Langzeitarbeitslosen sind über 50
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25 % sind älter als 55
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27 % der Großbetriebe beschäftigen keinen einzigen Menschen über 60
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Über 50 % der Betriebe beschäftigen keine Frau über 60
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85 % der Kleinbetriebe haben gar keine älteren Arbeitnehmer
In diesem Umfeld ein höheres Pensionsalter zu fordern, führe nur zu mehr Langzeitarbeitslosigkeit und Altersarmut. Gerstorfer fordert daher:
„Es ist höchst an der Zeit, die Betriebe stärker in die Pflicht zu nehmen. Es braucht ein transparentes Monitoring der Betriebe zur Älterenbeschäftigung und ein Bonus-Malus-System. Dieses soll Betrieben, die ältere Arbeitnehmer:innen beschäftigen, einstellen, weiterbilden, umschulen Vorteile bringen und gleichzeitig jene Betriebe sanktionieren, die Ältere diskriminieren, im großen Stil frühpensionieren, Ältere von Weiterbildungen ausschließen oder in die Arbeitslosigkeit drängen!“
Pension mit 70? „Realitätsfern und zynisch“
Auch Monika Kemperle, Bundespensionistenvorsitzende im ÖGB, übt deutliche Kritik an der Diskussion:
„Wer hart arbeitet, hat ein Recht darauf, auch etwas vom Leben nach dem Job zu haben – und nicht erst dann in Pension zu gehen, wenn der Körper nicht mehr kann.“
Die Realität: Viele gehen heute schon gesundheitlich angeschlagen in Pension. Eine Anhebung des Antrittsalters würde bedeuten, dass viele ihre Pension gar nicht mehr genießen können – oder überhaupt nicht mehr erreichen. Kemperle spricht von einem „sozial ungerechten“ Vorschlag, der Armut, Arbeitslosigkeit und Krankheit im Alter verschärfen würde.
Mehr arbeiten, weniger bekommen?
Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, warnt zudem vor den finanziellen Konsequenzen einer Pensionsanhebung. Ihre Rechnung:
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Bei einer Anhebung des Antrittsalters auf 67 und einem vorzeitigen Ruhestand drohen Abschläge
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Bei einem Einkommen von 3.000 € und 40 Versicherungsjahren ergibt das:
→ 218 € weniger Pension monatlich
→ In 10 Jahren: über 30.000 € Verlust
Und das alles für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht länger arbeiten können.
Teiber kritisiert außerdem die einseitige Diskussion:
„Während seitens der Industrie immer nur die Pensionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angegriffen werden, die sich die Beschäftigten zu 83 Prozent durch eigene Beiträge finanzieren, hört man nie ein Wort über die Pensionen der Selbständigen, zu denen der Staat die Hälfte zuschießen muss, oder der Bauern, die überhaupt nur knapp über ein Fünftel ihrer Pensionen selbst zahlen. Das alleine ist verräterisch genug.“
Fazit: Die wahren Probleme angehen – nicht nur Symptome bekämpfen
Die Pensionsdebatte ist wichtig. Aber sie muss ehrlich geführt werden – auf Basis von Daten, nicht von Ideologien. Statt über das Pensionsalter zu streiten, braucht Österreich:
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Mehr Arbeitsplätze für ältere Menschen
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Betriebe, die Verantwortung übernehmen
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Faire Chancen statt Frühverrentung durch die Hintertür
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Ein sozial gerechtes Pensionssystem, das die Lebensrealität der Menschen ernst nimmt
Wer all das ignoriert, gefährdet nicht nur die soziale Stabilität – sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik.