Ein neuer Player am Esstisch Europas? Online-Riese Temu greift nach dem EU-Lebensmittelmarkt.
Der chinesische Online-Marktplatz Temu mischt seit einiger Zeit den europäischen E-Commerce auf – vor allem mit radikalen Billigpreisen und einer aggressiven Expansionsstrategie. Nun kündigt das Unternehmen seinen nächsten großen Schritt an: den Einstieg ins EU-Lebensmittelgeschäft. Auch Österreich soll davon betroffen sein.
Laut einer aktuellen Presseaussendung des Handelsverbands will Temu europaweit Lebensmittel vertreiben und hat dafür bereits ein eigenes EU-Team installiert, das Produzenten in der Region anspricht. Was auf den ersten Blick wie eine günstige Einkaufsmöglichkeit für Konsumenten wirkt, birgt aus wirtschaftlicher Sicht erhebliche Risiken – insbesondere für den österreichischen Einzelhandel und regionale Lebensmittelproduzenten.
Handelsverband schlägt Alarm
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, warnt:
„Der Lebensmittelhandel zählt zur kritischen Infrastruktur, er sichert die Nahversorgung der gesamten Bevölkerung. Nun steht in diesem Sektor die nächste Welle asiatischer Billigstimporte vor der Tür. Das ist ein hochsensibler Bereich, in dem Qualität, Rückverfolgbarkeit und Sicherheit keine Verhandlungsmasse sein dürfen.“
Temu – wie auch andere Fernost-Plattformen – steht laut Handelsverband im Verdacht, EU-Regularien systematisch zu unterlaufen. Intransparente Lieferketten, fehlende Produktauszeichnungen und aggressive Dumpingpreise seien keine Seltenheit. Die Sorge: Auch im Lebensmittelsektor könnten diese Praktiken Einzug halten – mit potenziell gravierenden Folgen für die Versorgungssicherheit, den Konsumentenschutz und den Wirtschaftsstandort Österreich.
Billigimporte statt Bio-Qualität?
Österreich ist stolz auf seine hohen Umwelt- und Tierschutzstandards. Der heimische Lebensmittelhandel setzt stark auf regionale Produkte, vielfach zertifiziert mit dem AMA-Gütesiegel. Diese Standards haben ihren Preis – und genau hier liegt das Problem: Temus Billigstrategie könnte regionale Anbieter massiv unter Druck setzen.
Wird der Markt mit günstig importierten Produkten überschwemmt, geraten klein- und mittelständische Betriebe in Schieflage. Das gefährdet nicht nur Jobs, sondern auch steuerliche Einnahmen, denn laut Handelsverband entziehen falsch deklarierte Pakete Kommunen jedes Jahr Millionen.
EU-Handlungsbedarf: Es ist fünf nach zwölf
Besonders brisant: China hat laut dem Nationalen Volkskongress beschlossen, den grenzüberschreitenden E-Commerce jährlich um 10 % zu steigern. Europa gilt dabei als vorrangiges Ziel. Gleichzeitig steht in Rumänien bereits ein drittes Verteilerzentrum für Billigpakete in den Startlöchern.
Der Handelsverband fordert daher entschlossene Maßnahmen – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Zu den Kernforderungen gehören:
-
Plattformhaftung für korrekte Warendeklaration (inkl. Einfuhrabgaben)
-
Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze
-
Einführung einer 2-Euro-Handlinggebühr auf alle B2C-Pakete aus Drittstaaten
Fazit: Entwicklungen genau beobachten
Der geplante Einstieg von Temu in den europäischen Lebensmittelmarkt bringt neue Dynamiken in den Handel – sowohl auf Konsumenten- als auch auf Anbieterseite. Einerseits könnten niedrigere Preise die Auswahl für Kundinnen und Kunden vergrößern. Andererseits stellen sich berechtigte Fragen zur Produktsicherheit, Rückverfolgbarkeit und zur Einhaltung europäischer Standards.
Für Österreich als Land mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards bleibt entscheidend, dass faire Wettbewerbsbedingungen gewahrt bleiben. Eine klare, EU-weite Regulierung und transparente Kennzeichnungspflichten könnten dazu beitragen, gleiche Spielregeln für alle Marktteilnehmer sicherzustellen.
Wie sich Temus Markteintritt konkret auf den Lebensmittelhandel in Österreich auswirken könnte, lässt sich aktuell noch nicht abschließend beurteilen – die Entwicklungen sollten aber aufmerksam begleitet werden.