Der Handelsverband widerspricht den Vorwürfen der AK Tirol zu Lebensmittelpreisen und zeigt auf: Preisaufschläge, Rentabilität und Löhne im Handel haben mit Realität mehr zu tun als mit Polemik.
In der Debatte um hohe Lebensmittelpreise in Österreich meldet sich nun der Handelsverband mit einer Presseaussendung deutlich zu Wort. Die jüngsten Aussagen der AK Tirol seien, so der Verband, von falschen Annahmen und ideologischen Verzerrungen geprägt. Der Verband stellt klar: Schuldzuweisungen an den heimischen Lebensmitteleinzelhandel seien unangebracht – und mit Blick auf Zahlen aus EU-Kommission, Bundeswettbewerbsbehörde und Eurostat schlichtweg nicht haltbar.
Auch DieFinanz berichtete über die AK-Vorwürfe – der Handelsverband nimmt nun detailliert Stellung.
Vorwurf 1: Keine Preistransparenz?
Die AK Tirol behauptet, in Österreich fehle es an Preistransparenz – dadurch seien die Preise höher als im benachbarten Bayern. Gefordert wird eine Anti-Teuerungskommission.
Die Fakten:
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Der österreichische Lebensmittelhandel arbeitet mit einer sehr geringen Rentabilität von nur 0,5 bis 2,5 Prozent – im Gegensatz zu globalen Nahrungsmittelkonzernen mit bis zu zehnfacher Marge.
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Der Umsatz ist inflationsbereinigt rückläufig, trotz Rekordteuerung.
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Zusätzliche Preisregulierungen würden mehr Bürokratie statt günstigere Preise bringen.
„Wir haben uns kein Körberlgeld verdient“, betont Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Belastend sind für Handelsbetriebe hingegen vor allem die steigenden Kosten für Energie, Personal, Logistik, Mieten und Fremdkapital, die aus Rücksicht auf die Kund:innen nicht 1:1 auf die Verbraucherpreise umgewälzt werden.“
Vorwurf 2: Zu wenig Wettbewerb
Ein häufiges Argument: Der Markt sei mit nur vier dominierenden Handelsketten zu wenig wettbewerbsfähig.
Die Fakten:
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Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestätigte 2023 in ihrem Abschlussbericht, dass im österreichischen LEH ein starker Preiswettbewerb herrscht.
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Die Gewinnmargen wurden laut BWB nicht erhöht, trotz Teuerung.
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Die Teuerungsrate bei Lebensmitteln lag 2024 mit +2,6 % sogar unter der allgemeinen Inflation (+2,9 %).
Vorwurf 3: Geringere Löhne im Vergleich zu Bayern
Laut AK Tirol verdienen deutsche Handelsangestellte deutlich besser bei vergleichbaren Bedingungen.
Die Fakten:
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Personalkosten im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel liegen laut Eurostat bei 38.050 Euro pro Kopf, was EU-weit Platz 2 bedeutet. Nur in Belgien sind sie noch höher.
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Im Lebensmitteleinzelhandel liegen die durchschnittlichen Personalkosten pro Kopf um 31% höher als in Deutschland (28.950 Euro/Kopf) und um 59% über dem EU-Schnitt.
Österreich zahlt im EU-Vergleich überdurchschnittlich gut – ein Argument, das die Vorwürfe der AK Tirol entkräftet.
Vorwurf 4: Österreich-Aufschlag – Schuld der Händler?
Die AK Tirol kritisiert, der Handel habe zu spät auf territoriale Lieferbeschränkungen durch Konzerne reagiert.
Die Fakten:
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Der Handelsverband weist den Vorwurf entschieden zurück: Der sogenannte „Österreich-Aufschlag“ wird vom Handel seit Jahren kritisiert.
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Die EU-Kommission verhängte im Mai 2024 gegen Mondelez wegen solcher Praktiken eine Strafe von 337 Millionen Euro.
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Selbst die AK Wien gibt mittlerweile zu, dass diese Lieferrestriktionen der Industrie die Preisunterschiede verursachen – nicht die Händler.
Laut Handelsverband kosten diese Beschränkungen die europäischen Konsumenten jährlich bis zu 14 Milliarden Euro.
Differenzierte Sichtweise statt Schuldzuweisungen
Die aktuelle Debatte zeigt: Lebensmittelpreise sind ein sensibles Thema. Doch statt in pauschale Kritik zu verfallen, braucht es eine sachliche Auseinandersetzung mit belegbaren Zahlen. Der österreichische Lebensmittelhandel ist kein Preistreiber, sondern in vielen Bereichen sogar ein stabilisierender Faktor.
Mit über 140.000 Arbeitsplätzen und einer flächendeckenden Nahversorgung leistet der LEH einen zentralen Beitrag für Gesellschaft, Wirtschaft und Versorgungssicherheit. Die Diskussion um Transparenz und Preisstruktur sollte daher auf Basis von Fakten geführt werden – nicht auf Grundlage ideologischer Mythen.